Mit PV-Anlagen können Privatpersonen nicht nur Kosten sparen, sie speisen auch sauberen Strom aus erneuerbaren Energien ins öffentliche Netz ein. Somit bilden sie einen wichtigen Baustein für die Energiewende. Dennoch sollen sie zur Kasse gebeten werden – findet die Bundesnetzagentur.
Inhaltsverzeichnis öffnen
Die Behörde hatte im Mai 2025 ein Verfahren namens „Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom“ (kurz AgNes) gestartet und damit eine hitzige Debatte ausgelöst. Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller formuliert das Problem: Die Kosten für den Ausbau und den Erhalt der Stromnetze steigen rasant, angetrieben durch die Energiewende. Gleichzeitig sinkt die Zahl derer, die diese Kosten über ihre Stromrechnung in voller Höhe tragen.
Netzentgelte: Verkehrsmaut für Strom
Der Grund dafür sind unter anderem Solaranlagen-Besitzer. Sie produzieren und konsumieren ihren eigenen Strom, beziehen weniger aus dem öffentlichen Netz und zahlen somit auch weniger Netzentgelte. Das sind die Gebühren für den Transport des Stroms, die laut der Agentur inzwischen mehr als ein Viertel des gesamten Strompreises ausmachen. Im letzten Jahr zahlte ein durchschnittlicher Haushalt 11,6 Cent pro Kilowattstunde allein für die Netznutzung (Quelle: strom-report.com).
Die Bundesbehörde argumentiert, dass diese Nutzung Kosten verursacht, an denen sich Einspeiser bisher nicht beteiligen. Daher sieht sie an dieser Stelle Reformbedarf.
Die wichtigsten Vorschläge im Überblick
Um das System zukunftsfest zu machen, hat die Netzagentur in einem Diskussionspapier mehrere Optionen skizziert. Diese Vorschläge sind noch nicht in Stein gemeißelt, sie zeigen aber, wohin die Reise gehen könnte.
Das sind die wichtigsten Ideen:
1. Einspeiseabhängige Entgelte: Für jede Kilowattstunde Strom, die du ins Netz einspeist, müsstest du eine Gebühr bezahlen. Das würde die Einnahmen aus deiner Einspeisevergütung direkt schmälern.
2. Ein Grundnetzentgelt für alle: Hier würde jeder, der einen Anschluss am Netz hat – egal ob als reiner Verbraucher oder auch als Einspeiser – einen festen Grundpreis zahlen. Dieser Pauschalbetrag würde die Finanzierungsbasis verbreitern, könnte aber vor allem kleine Haushalte und Betreiber von Balkonkraftwerken überproportional belasten.
3. Ein Kapazitätspreis: Die Höhe der Gebühr würde sich hier nicht nach dem Verbrauch oder der Einspeisung richten, sondern nach der Leistung deines Netzanschlusses. Wer eine große Anschlusskapazität für seine Wärmepumpe oder sein E-Auto vorhält, würde mehr zahlen.
4. Dynamische Netznutzungsentgelte: Die intelligenteste, aber auch technisch anspruchsvollste Variante. Die Gebühren wären nicht starr, sondern würden sich an der tatsächlichen Auslastung des lokalen Netzes orientieren. Wenn das Netz stark belastet ist (zum Beispiel am Abend), wären die Entgelte hoch. Nachts, wenn viel Windstrom im Netz ist, könnten sie sehr niedrig oder sogar negativ sein. Dies würde Anreize schaffen, den Stromverbrauch in günstige Zeiten zu verlagern. Der Haken: Für dieses Modell braucht es flächendeckend intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter, die in Deutschland Anfang 2025 erst in 2,7 Prozent der Haushalte verbaut waren (Quelle: Bundesnetzagentur).
Bonus-Info: Die Bundesnetzagentur ist eine deutsche Behörde, die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gehört. Sie überwacht und reguliert zentrale Infrastrukturbereiche – von Strom, Gas und Telekommunikation bis hin zu Post und Bahnverkehr. Ziel ist es, Wettbewerb zu sichern, faire Preise zu ermöglichen und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Im Energie- und Stromsektor sorgt sie zum Beispiel dafür, dass Netze ausgebaut und betrieben werden; außerdem setzt sie rechtliche Vorgaben wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz um.
Breiter Widerstand: Hunderttausende wehren sich
Die Pläne der Agentur haben einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Eine Online-Petition, ins Leben gerufen von den YouTubern Andreas Schmitz („Der Akku Doktor“) und Martin Oster, hat innerhalb kurzer Zeit mehr als 280.000 Unterschriften gesammelt. Die zentrale Forderung: Die Energiewende darf nicht auf dem Rücken der Bürger ausgetragen werden.
Schmitz kritisiert, dass Privatpersonen in dem Verfahren kaum Gehör finden, während Verbände und Unternehmen ihre Stellungnahmen einreichen. Er warnt davor, dass einige der vorgeschlagenen Modelle die Photovoltaik „wirtschaftlich unattraktiv“ machen und das auch für Bestandsanlagen.
Besonders stößt ihm auf, dass die Bundesnetzagentur die Option dynamischer Entgelte in ihrem Papier eher negativ darstellt. Die Petition fordert daher, kleine Anlagen durch eine Bagatellgrenze zu schützen und unsoziale Modelle wie pauschale Grundpreise auszuschließen. Stattdessen solle man auf faire und physikalisch nachvollziehbare Konzepte wie den Kapazitätspreis oder dynamische Entgelte setzen.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Netzentgelt?
Zu dem Diskussionspapier konnten verschiedene Akteure aus der Energiewirtschaft bis zum 30. Juni 2025 Stellung nehmen; die Frist ist also mittlerweile verstrichen.
Nun will die Behörde die Stellungnahmen auswerten und neue Regelungen für das Netzentgelt erarbeiten. Sie sollen die bisherigen ersetzen und ab dem 1. Januar 2029 in Kraft treten.